Berlin, den 25. September 2018 – „Eine der Lehren, die wir aus den Missbrauchsfällen der Kirche mit Blick auf Familien ziehen müssen, lautet“, so Becker: „Ertüchtigen wir unsere Kinder frühzeitig, sich gegen die Gefahren sexuellen Missbrauchs zu wappnen. Erziehen wir unsere Kinder zu selbstbewussten Menschen, die wissen, dass nur sie es sind, die ein Recht an ihrem eigenen Körper haben. Sensibilisieren wir sie behutsam und ermöglichen ihnen so ein entschiedenes Nein, wenn sich Dritte ihrem Körper nähern wollen. Und stärken wir die Eltern. Wie können sie erkennen, ob ihr Kind bedrängt wurde? Und wie können sie reagieren? Bei dieser Aufgabe sind Staat und Kirche gefordert, systematisch kind- und familiengerechte Angebote zu schaffen.“
Zur heute veröffentlichen Studie sagte Becker: „Angesichts des großen Dunkelfeldes, auf das die Forscher in ihrer Studie mehrfach hinweisen, müssen jetzt die Bistümer für detailierte Aufarbeitung von unabhängiger Seite sorgen. Das Licht der Aufklärung menschlichen Unrechts darf mit der Veröffentlichung dieser Studie nicht erlöschen. Dunkelräume darf es in der Kirche nicht mehr geben, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Und keine Strukturen, die sie ermöglichen und decken.“ Nötig sei nicht weniger als ein grundlegender Kultur- und Bewusstseinswandel der Kirche. „Ein Null-Toleranz-Verhalten, wie von Papst Franziskus gegenüber sexuellem Missbrauch gefordert, muss gelebt werden, in allen Gliederungen, auf allen Ebenen kirchlichen Lebens. Verdachtsmomenten muss ent-schieden nachgegangen und Recht konsequent angewendet werden“, sagte Becker.
Macht- und Gewissensmissbrauch sind nach Beckers Einschätzung entscheidende Voraussetzung für den sexuellen Missbrauch in der Kirche. „Der Klerikalismus hat dazu geführt, dass Täterschaft in den kirchlichen Reihen vielfach gedeckt und der Blick auf die Opfer vermieden wurde. Die erfolgreiche Überwindung dieser Geisteshaltung wird wahrscheinlich die Zukunft der Kirche maßgeblich mitbestimmen. Nepotistische Strukturen, die menschliches Unrecht akzeptieren, dürfen in der Kirche nicht mehr möglich sein. Das Leben von Familien muss auch künftig der Mittelpunkt der Kirche sein können.“
Die Autoren der Studie zählen vor allem auch den kirchlichen Umgang mit dem Thema Sexualität zu den vorrangigen Risikofaktoren für das Entstehen von sexuellem Missbrauch. „Eine gründliche Aufarbeitung des Missbrauchs wird nur dann möglich sein, wenn die Kirche ihren Begriff von Sexualität umfassend diskutiert und neu bewertet. Dazu kann ich nur dringend raten“, sagte Becker. „Eine Tabuisierung des Themas mit dem gleichzeitigen Anspruch einer rigiden sexualmoralischen Normierung erweist sich innerkirchlich als ein idealer Nährboden für unreife Sexualität, die sich in Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ungezügelt Bahn bricht“, so Becker. „Fest steht heute vor allem: Der Weg der Kirche, missbrauchtes Vertrauen zurückzugewinnen, wird lang sein. Als erste zivilgesellschaftliche Institution Deutschlands in einer umfangreichen Studie – auch wenn diese Schwächen hat – einen Beitrag zur Aufklärung geleistet zu haben, ist dazu ein erster Schritt. Weitere müssen folgen.“
(Familienbund der Katholiken - Bundesverband)
Ohne Familien ist kein Staat zu machen. Der Familienbund der Katholiken ist der mitgliederstärkste Familienverband Deutschlands. Ihm gehören 25 Diözesan-, 10 Landes- sowie 13 Mitgliedsverbände an. Seit 65 Jahren setzt sich der familienpolitische Fachverband für eine familiengerechtere Gesellschaft ein. Der Verband versteht sich als „Stimme der Familien“ – als Interessenvertretung aller Familien in Gesellschaft, Politik und Kirche. Die Rahmenbedingungen für Fami-ien müssen nach Ansicht des Familienbundes so gestaltet sein, dass jede Familie – unabhängig von ihrer jeweiligen Ausprägung – bestmöglich gelingen kann.